Was wünschen sich Menschen von Kirche? Diese allgemeine Frage spitzt sich zu, sobald man eine bestimmte Zielgruppe in den Blick nimmt. Fragt man Familien, was sie sich wünschen, dann wird – bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Familien – deutlich, dass Kirche für sie dann interessant wird, wenn sie in alltagstauglichen und lebensdienlichen Formen daherkommt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Angebote von den Bedürfnissen der Familie und nicht von den Erfordernissen der Kirchengemeinde her gedacht werden sollten. Wie kann das konkret aussehen? Mit den VikarInnen der Mitteldeutschen Kirche sind wir bei einer Begegnung im Kloster Drübeck diesen Fragen nachgegangen.
Die 13 Frauen und Männer stehen am Anfang ihrer „kirchlichen Laufbahn“ und sind gerade dabei, ihre Vikariatsgemeinden kennenzulernen. Dabei fällt ihnen frappierend ins Auge, dass Familien als konkrete Zielgruppe selten im Blick sind. Ja, es gibt vereinzelte Familiengottesdienste, aber wenig planvolles Bedenken dieser Zielgruppe. Zugleich wird in der Vorstellungsrunde deutlich, dass der Großteil des Vikarskurses sich gerade selbst in der Familienphase mit kleinen Kindern befindet. Sie sind also selbst „ExpertInnen“ zum Thema Familie. Aber auch für diejenigen, die es biographisch gerade nicht selbst betrifft, ist einleuchtend, wie zentral das Thema Familie im Blick auf die Zukunft von Kirche ist – stellt die Familie doch den zentralen Ort für religiöse Sozialisation dar. Wie also kann Kirche so agieren, dass Familien sich ernstgenommen und wohl fühlen?
Aktuelle Studien wie die Württemberger Studie „Familien gefragt“ nennen Faktoren wie Ort und Zeit, die auf die Lebensrhythmen der Familien abgestimmt sein müssen. In aller Regel ist das nicht der Sonntagvormittag, sondern eher der Samstagnachmittag zwischen 15 und 19 Uhr. Gewünscht wird dabei kein starres Format, bei dem Kinder still sitzen müssen und Eltern in die „Aufpasserrolle“ fallen. Vielmehr ist ein offenes, auf Begegnung ausgelegtes Format attraktiv, in dem es verschiedene Angebote für unterschiedliche Bedürfnisse gibt.
Ein solches Format, das von den Bedürfnissen der Familien her denkt, haben wir uns genauer angeschaut: Kirche Kunterbunt. Vor 20 Jahren hat Lucy Moore dieses Format unter dem Begriff Messy Church in einer anglikanischen Gemeinde „erfunden“. Seither wurde es tausendfach in anderen Gemeinden rund um den Globus ausprobiert und jeweils an den eigenen Kontext angepasst. Die Elemente darin sind nicht neu, es ist eher die Art und Weise und die Beteiligung vieler Menschen, die es zu einer „neuen Form von Kirche machen“, die Familien anspricht – und nicht nur solche, die Kirche bereits kennen.
„Aber ist Kirche Kunterbunt wirklich Kirche?“, fragte eine Vikarin. Das bringt uns ins gemeinsame Nachdenken über unsere Kirchenbilder und die Kriterien, nach denen wir Kirche definieren. Diese Gedanken nehme ich auch wieder mit, wenn ich mich am Abend aus dem Kloster Drübeck wieder auf den Weg mache und sie begleiten mich hinein ins weitere Nachdenken darüber, welchen Fragen wir in unserer Arbeit an der KÖW konkret nachgehen.
Katharina Freudenberg