Evaluation und wissenschaftliche Begleitung kirchlicher Innovationsprozesse
Evaluieren. Beurteilen, bewerten, einschätzen.
Hochgezogene Augenbrauen und spitze Bleistifte, kritische Blicke von strengen Sachverständigen, Optimierung und Ökonomisierung.
Was hat all das in Kirche zu suchen?!
Evaluation an der MKG
Wir würden die Wortreihe gern fortsetzen: Einschätzen, wertschätzen, Schätze suchen!
Denn in einem innovativen Arbeitsfeld bleibt die Suche nach dem Weg ein Tasten, Erkunden und Entdecken. Wir wollen daher auch die wissenschaftliche Begleitung dieser Prozesse explorativ verstehen und sie unterstützen, indem wir Einsichten aus der Erprobungs-Praxis bündeln, sichtbar machen und perspektivieren. Unser Wunsch ist es dabei, nah an den Pionierinnen und Praktikern zu sein, von deren Erfahrung wir lernen, und Fragen zu bearbeiten, die für ihre Arbeit relevant sind. Gleichzeitig versuchen wir den Anschluss in die Fachwelt der Evaluationsforschung zu halten, um dort bewährte Ansätze und Methoden für den kirchlichen Anwendungskontext fruchtbar zu machen.
Die folgenden drei Schlaglichter geben einen Einblick in unser bisheriges Nachdenken rund um die Evaluation kirchlicher Innovationsprozesse.
Lernen und Dialog - durch Evaluation!
Im Zuge unserer bisherigen wissenschaftlichen Begleitung kirchlicher Innovationsprogramme hat sich für uns die Lern- und Dialogfunktion von Evaluation als zentral herausgestellt (vergl. Döring/Bortz 2016, S. 987), denn:
- Evaluation ermöglicht Lernen: Indem sie Feedback gibt und Reflexionsanlässe schafft, befähigt sie Projektverantwortliche und Programmakteure ihr Handeln zu reflektieren und ggf. anzupassen.
- Evaluation schafft Räume für Dialog: Indem sie verschiedene Anspruchsgruppen miteinander ins Gespräch über ihre Zielvorstellungen und Bilder von Kirche bringt, bevollmächtigt sie alle Beteiligten zur Mitgestaltung von Kirche.
Befähigen durch Lernen und Bevollmächtigen durch Dialog – das passt gut mit dem Empowerment-Begriff zusammen, der unser Forschungszentrum zusammenhält!
Evaluation – trotz Emergenz und Vielfalt?
Im Rahmen kirchlicher Innovationsprogramme entsteht eine beeindruckende Vielfalt von Initiativen und Projekten – schließlich sind sie darauf ausgelegt, sich an jeweils spezifische Kontexte anzupassen und dies auf immer wieder neue Weise zu tun. Zudem entwickeln sich die Programme meist im Verlauf und gewinnen erst durch das Miteinander von Projekt- und Programmebene eine konkrete Gestalt.
Wie kann es angesichts dieser Dynamik und Vielfalt gelingen, Evaluationskriterien und Indikatoren zu formulieren, die für alle Initiativen gleichermaßen passen? Angesichts dieser Herausforderung haben wir uns näher mit dem Ansatz der Cluster-Evaluation beschäftigt (vergl. Haubrich, 2009). Er geht davon aus, dass die übergeordneten Ziele eines Programms von den einzelnen Initiativen in verschiedener Weise ausbuchstabiert werden und gruppiert Initiativen, die sich in Bezug auf bestimmte Merkmale ähneln, um clusterspezifische Handlungsstrategien aufzuspüren. Diesen Ansatz wollen wir auch für den kirchlichen Kontext fruchtbar machen, um Muster in der Vielfalt der Initiativen und Ansätze zu entdecken.
Theory of Change & Kirchentheorie?
In der wirkungsorientierten Programmevaluation sind Modelle zentral, die die Annahmen über die Zusammenhänge hinter Veränderungsprozessen explizieren und auf veranschaulichen (vergl. Lemire et al, 2023) – sogenannte Wirkmodelle. Auf der Suche nach einer Programmtheorie kirchlicher Förderprogramme stellt sich also die Frage, welche Annahmen eigentlich kirchlichen Innovationsprogrammen zugrunde liegen. Von welcher „Theory of Change“ gehen sie aus? Ließe sich mit den involvierten Akteuren auf Programm- und Projektebene so eine Theorie des (kirchlichen) Wandels erarbeiten? Und wäre sie nicht ein guter Ausgangspunkt für eine kirchentheoretische und ekklesiologische Reflexion dieser kirchlichen Veränderungsprozesse?
Zugegeben, das klingt auch in unseren Ohren noch nach Zukunftsmusik… Jedoch ist uns klar: Letztlich geht es um Gottes Kirche und sein Wirken – diese Fragen sind also auch theologischer Natur. Aus diesem Grund gehören die kirchentheoretische bzw. praktisch-theologische Perspektivierung kirchlicher Veränderungsprozesse in unseren Augen fest mit ihrer wissenschaftlichen Begleitung zusammen.
Das Mitmachposter lädt dazu ein, ein paar unserer Gedankengänge rund um die Funktion von Evaluation, ihren potentiellen Beitrag zu Empowerment sowie zum Ansatz der Cluster-Evaluation nachzuvollziehen und gemeinsam weiter über die Evaluation kirchlicher Innovationsprozesse nachzudenken. Nutzen Sie es gern, um Ihre Gedanken zu ergänzen!
Im vergangenen Jahr stellten Fragen rund um die Wirkungsorientierung kirchlichen Handelns einen unserer Arbetisschwerpunkte dar. Die Materialien, die wir im Zuge dieser Auseinandersetzung erstellt und zusammengetragen haben, teilen wir hier:
Evaluation landeskirchlicher Innovationsprogramme
Die EKM als die „Erfinderin“ der Erprobungsräume sammelt seit 2015 Erfahrungen mit dem Erproben. Nicht nur das Förderprogramm hat sich über die Jahre weiterentwickelt – auch das Vorgehen der wissenschaftlichen Begleitung hat sich verändert. Hier ein Einblick.
Die Initiative „Missionarische Aufbrüche“ ist Teil der Dachmarke „Kirche die weiter geht“. Zugleich ist sie eingebettet in das Vorhaben der EVLKS, ab 2025 in jedem Kirchenbezirk zwei „Missionarische Pfarrstellen“ fest zu etablieren. Dieser bisher einzigartige Ansatz macht die wissenschaftliche Begleitung besonders spannend.
Evaluation kirchlicher Innovationsprojekte
In seltenen Fällen begleiten wir auch einzelne Projekte, so zum Beispiel die Weihnachtskirche in Fulda.
In der Adventszeit 2023 hat Nora Güngerich das Projekt Weihnachtskirche der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) in Fulda begleitet und Daten erhoben (Interviews und Fragebögen). Derzeit wertet sie die Daten aus und ermittelt, ob dieses Format Chancen für eine barrierearme Form der Kommunikation des Evangeliums eröffnet.
Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier: